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Annkathrin Sonder

Textkritische Edition und Interpretation unveröffentlichter Gedichte aus Rose Ausländers Nachlass (Arbeitstitel)

Als Rose Ausländer (1901–1988) am 3. Januar 1988 im Düsseldorfer Nelly-Sachs-Haus verstarb, hinterließ sie einen etwa 20.000 Blatt umfassenden Nachlass, der einige bis heute unveröffentlichte Konvolute enthält. Exil, Verfolgung und häufige Ortswechsel führten dazu, dass die Dichterin zu ihren Lebzeiten lediglich eine geringe Anzahl ihrer Texte in deutschsprachigen Zeitungen und Feuilletons publizieren konnte, so dass die Herausgabe ihres Werks erst ab 1976, als sie bereits 75 Jahre alt war, begann. Aufgrund von Rose Ausländers Arbeitsweise, auch bereits erschienene Gedichte in größeren Zeitabständen weiter zu bearbeiten, entstanden gegenüber den ersten Entwürfen teilweise stark geänderte und stilistisch modifizierte Fassungen, deren letztgültige sie schließlich zum Druck freigab. Die Ausgabe letzter Hand als editorisches Prinzip der ab 1980 von Helmut Braun erarbeiteten Gesamtausgabe entspricht somit der Vorstellung des finalen, dem Autorwillen gleichkommenden Textes und korrespondiert mit der Idee des Editors als Testamentsvollstrecker.


Mein Forschungsvorhaben befasst sich mit der kritischen Edition und Interpretation von 85 bislang unveröffentlichten Gedichten aus dem Nachlass. Diese bilden ein forschungsrelevantes Korpus und einen für das Gesamtwerk paradigmatischen Untersuchungsgegenstand, weil sie Einblicke in Rose Ausländers poetologische Entwicklung geben. Ausgehend von den im Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf zugänglichen Originalen wird zunächst eine diplomatische Umschrift der einzelnen Gedichte angefertigt, die sämtliche überlieferten Textzeugen ihrer makro- und mikrostrukturellen Anlage nach getreu erfasst. Die damit erstmals zugänglichen Gedichte mit ihren Autor- bzw. Entstehungsvarianten führen neben der Frage nach der Veröffentlichungspraxis zu Erkenntnissen über Motivstruktur, Neukonnotation und stilistischen Wandel, die Ergebnis einer textgenetisch fundierten Analyse sein sollen.

Methodisch wird es darüber hinaus möglich, von einer im Fall jüdischer Nachkriegslyrik stark biographisch orientierten Exegese Abstand zu nehmen und die zur Untersuchung herangezogenen Gedichte als autonome Kunstwerke anzuerkennen. Ein erklärtes Ziel ist es hierbei, das besondere Verhältnis von Form und Sinngehalt poetologischer Lyrik herauszuarbeiten und somit die spezifischen Anforderungen an die Edition, Interpretation und Lektüre von Lyrik zu akzentuieren. Es werden dabei Grundlagen und Möglichkeiten einer kritischen Ausgabe des Gesamtwerks Rose Ausländers reflektiert.

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